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Wildschwein

Nicht in vielen Ländern werden die natürlichen Lebensräume von Wildtieren so häufig von Strassen gekreuzt, von Autobahnen geteilt, und von Städten,  Siedlungen und Industriegebieten so eingeengt, wie dieses bei uns der Fall ist.
Kaum ein Wald, der nicht bewirtschaftet wird, Monokulturen, ungesunde Wälder, vermindertes Nahrungsangebot, intensive Forst- und Landwirtschaft, Überdüngung, Pestizide....
Der eigentlich so wichtige Lebensraum "Waldrand", ursprünglich bestehend aus Sträuchern, Büschen und Hecken, musste an vielen Stellen ersatzlos weichen, ebenso wie die lange in ihrer Bedeutung unterschätzten Hochmoore.  Heimat und Rückzugsmöglichkeit unzähliger Tierarten werden damit vernichtet.
So ist es für viele Wildtierarten schwierig geworden, überhaupt noch die nötige Lebensgrundlage  bei uns zu finden.

Doch wie lässt sich unter solch schlechten Lebensbedingungen die steil steigende Wildschweinpopulation in Deutschland erklären ?

Die Antwort für diesen Widerspruch liefert Norbert Happ, selbst Jäger und anerkannter Wilschweinexperte:
„Die Nachwuchsschwemme ist hausgemacht“. Für die explosionsartige Vermehrung der Wildschweine seien die Jäger selbst verantwortlich.  (in der Jägerzeitung "Wild und Hund").

Auch Wildmeister Gerold Wandel sieht die Ursache in der Jagd: „Jetzt werden die Sauen wirklich wehrhaft! Sie wehren sich mit einer unglaublichen Zuwachsdynamik gegen den falschen, asozialen Abschuss in den Altersklassen.“ (Jagdzeitung PIRSCH)

Die Wildforschungsstelle Baden-Württembergs ermittelte, dass dort jährlich 4000 Tonnen Mais in die Wäldern ausgebracht werden - das entspricht einer Menge von 100kg Futtermittel pro erlegtem Wildschwein. Dabei fördert gerade Mais (besonders hoher Anteil an Stärke) nachweislich die Fruchtbarkeit von Wildschweinen. In manchen Revieren werden gar über 400 Kilo Mais, Backwaren und Äpfel per PKW-Anhänger im Wald abgeladen. Hinzu kommt die Fütterung mit Kraftfutter im Winter, die noch mal in ähnlicher Größenordnung liegen dürfte.
Ähnliche Verhältnisse darf man für ganz Deutschland annehmen. Regelmäßige Funde von  Futterstellen und ungeheuren Futtermengen in den Wäldern deuten darauf hin.
Während früher Wildschweine einmal im Jahr Nachwuchs bekamen, gibt es jetzt häufig zwei mal im Jahr Junge.

Von wissenschaftlicher Seite ist es ohnehin seit langem erwiesen, dass hoher Jagddruck  den Wildschweinnachwuchs stark erhöht, und Jagd somit  im  Hinblick auf die Bestandsregulierung kontraproduktiv ist.

Sabrina Servanty und ein Team von Wissenschaftlern verglichen über einen Zeitraum von 22 Jahren die Vermehrung von Wildschweinen in sehr intensiv bejagten Gebieten mit der Situation in Gegenden, wo kaum oder selten gejagt wird. Ergebnis: Stark erhöhte Fruchtbarkeit bei hohem Jagddruck, deutlich frühere Geschlechtsreife, erheblich gesteigerte Vermehrung. (Quelle: Servanty et alii, Journal of Animal Ecology, 2009)
Untermauert wird dies durch die Erfahrungen, die man in Gebieten sammelt, in denen die Jagd seit Jahrzehnten verboten ist.

Doch tragen die Jäger nicht die alleinige Schuld für diese Entwicklung.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden Deutschlands landwirtschaftliche Anbauflächen für eine Vielzahl von Getreidearten und Gemüsesorten genutzt. Diese gesunde Vielfalt hat den verschiedenartigen Pflanzen und Tieren  den nötigen Lebensraum geboten.

Vor allem der explosionsartigen Verbreitung von Biogasanlagen in den letzten 10 Jahren haben wir inzwischen eine "Monokultur Mais" zu verdanken. Regional wurde durch den verstärkten Anbau von Mais alles andere von den Feldern verdrängt. Diesen Trend sollte man aus zweierlei Gründen schnellstmöglich umkehren:
Zum einen entsteht durch die Monokultur ein Ungleichgewicht, denn der Lebensraum des Rebhuhns und vieler anderer Tiere und Pflanzen verschwindet, Artensterben auf der  einen und unnatürliche Populationssteigerungen auf der anderen Seite (Wildschweine) sind die Folge.
Zum anderen: Während weltweit alle 3 Sekunden ein Kind an Hunger stirbt und die Zahl der an Unterernährung leidenden Menschen Jahr für Jahr zunimmt, importiert Deutschland aus eben diesen Ländern das Getreide zur Erzeugung unserer Lebensmittel. Großflächige Urwaldrodungen in Brasilien zum Anbau von Futtersoja für unsere Masttiere sind die Folge. Brasilien ist der größte Exporteur von Lebensmitteln und Fleisch, zugleich gelten dort aber 44 Millionen Menschen als unterernährt. 140 Kinder verhungern in Brasilien täglich.

Wir beziehen also Getreide aus den armen Ländern, und nutzen zugleich unsere landwirtschaftlichen Anbauflächen zur Erzeugung billiger Energie in Form von Biogas, das durch die Vergärung von Mais gewonnen wird. (siehe auch: Statistisches Bundesamt: Getreideanbau nimmt ab -Höchststand bei Silomais ).
Diese Fehlentwicklung ist Mitverursacher für Armut und Hunger in der Welt, für gigantische Umweltverschmutzung und für die Zerstörung von Lebensräumen bedrohter Tierarten.

Ein abschließender Satz zu den Wildschweinen und ihrem weit verbreiteten Ruf:
Wildschweine sind nicht aggressiv oder gefährlich. Fühlen sie sich bedrängt oder bedroht, setzen sie sich zur Wehr, wie das bei Rothirsch, Elch, Wisent und anderen Tieren auch der Fall sein kann, und wie wir Menschen es ebenso tun würden.

 

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